ARTE Concert – Stars von morgen@Home

Junge Künstler, die in Rolando Villazóns ARTE-Sendereihe „Stars von morgen“ ihren ersten großen TV-Auftritt hatten und die sich inzwischen in der internationalen Klassikszene einen Namen gemacht haben, spielen und singen in ihrem „Guten Stube“, im Kinderzimmer mit Krabbelbaby, vor Stapeln von Umzugskartons oder auch im indonesischen Hotelzimmer.

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Louise Alder stammt aus einer Musikerfamilie. Als Kind tanzte sie und lernte Geige – glücklicherweise hat sie dann aber auf Sopran umgesattelt. 2017 war ein wichtiges Jahr in ihrer Karriere: Preise bei den International Opera Awards, bei BBC Cardiff Singer of the World – und der Auftritt bei den „Stars von morgen“. Die Kritiker rund um den Globus schwärmen vom „leuchtendsten Sopran der jüngeren Generation“, von der „geborenen Darstellerin“ und ihrer Stimme von „strahlender Schönheit“.

Als Sohn eines Fagottisten ist Riccardo Terzo mit dem Instrument groß geworden. Heute etabliert er das Fagott erfolgreich als Soloinstrument auf Konzertbühnen wie den Salzburger Festspielen. 2017 konnte sich Riccardo Terzo freuen: Er gewann den wichtigsten Fagottwettbewerb der Welt in den USA. Seitdem stehen Studierende und Profis Schlange für seine Meisterklassen. 2017 freute sich das Gewandhausorchester Leipzig: Sie konnten Riccardo Terzo als Ersten Solofagottisten gewinnen.

Ihre Heimat Norwegen und deren Natur prägen ihr Geigenspiel, das oft als unprätentiös, kraftvoll und fassbar beschrieben wird. Eldbjørg Hemsing hatte ihren ersten öffentlichen Auftritt mit 6 Jahren – mit 22 wurde sie international bekannt, als sie bei der Verleihung des Friedensnobelpreises spielte. Heute gibt sie weltweit Konzerte und nimmt dabei gerne Musik norwegischer Komponisten in ihr Programm auf.

Der amerikanische Countertenor Ray Chenez fasziniert mit seiner Stimme: einer seltenen Kombination aus Schönheit, Kraft und Flexibilität. Opera Britannia bescheinigt ihm eine “dramatische Sopranstimme, die vor Potenzial strotzt”. Er fesselt sein Publikum mit seinem enormen Stimmumfang, der ihn sowohl männliche als auch weibliche Rollen verkörpern lässt. Ray wird in einer der noch nicht ausgestrahlten Folgen von „Stars von morgen – On Tour“ von Rolando Villazón vorgestellt werden.

Marie Hauzel spielt seit ihrem vierten Lebensjahr Klavier. Bereits mit 15 Jahren wurde sie als jüngste Bachelor-Studentin an der Universität Mozarteum Salzburg aufgenommen. Neben vielen Preisen bei nationalen und internationalen Wettbewerben hatte sie 2014 als 14-Jährige den 1. Preis im Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ gewonnen. Konzerte führten sie schon in jungen Jahren bis nach China und die USA. Bei Rolando Villazón durfte die damals 17-Jährige 2017 ihr Riesentalent beweisen.

Klarinettist Raphael Sévère ist die lebendige Definition des Begriffs „Wunderkind“: Mit acht Jahren fing er am Konservatorium von Nantes mit der Klarinette an – Geige, Cello und Klavier spielte er auch schon. Nach ersten internationalen Auftritten und Preisen schließt er mit 19 Jahren am Pariser Konservatorium sein Studium ab. 2016 schuf Raphael Sévère mit „Obscurs“ sein erstes Stück als Komponist. Gerade frisch entstanden ist eine Auftragskomposition für das Orchestre de Bretagne: ein Konzert für Klarinette und Orchester.

Andrei Bondarenko sang schon mit 20 Jahren als Solist an der Mariinsky Akademie in St. Petersburg. 2011 gewann er den „Song Prize“ beim Cardiff Singer of the World, zwei Jahre später war er zu Gast bei Rolando Villazón. Seitdem ist der ukrainische Bariton auf allen großen Bühnen der Welt zu Hause, für die laufende Spielzeit stehen die Opernhäuser von Wien und Luzern ebenso auf dem Plan wie sein Debüt am Royal Opera House London.

„Der Klang des Violoncellos zieht mich magisch an. Da ist ein Lodern in mir, da brennt ein Feuer.“  Mit dieser Begeisterung steckte Valentin Radutiu 2017 auch sein Publikum bei den „Stars von morgen“ an und bestätigte, was die „Süddeutsche Zeitung“ schon 2013 über ihn schrieb: „Eine der großen Cellobegabungen unserer Zeit“. Seit 2019 ist Valentin Radutiu Erster Solocellist beim Deutschen Symphonie-Orchester Berlin.

Als Katharina Konradi bei den „Stars von morgen“ auftrat, wechselte sie gerade vom Staatstheater Wiesbaden an die Hamburgische Staatsoper, wo sie mittlerweile ein Publikumsliebling ist. Im Sommer 2019 gab sie zudem ihr Debüt bei den Bayreuther Festspielen. Eine steile Karriere der jungen, aus Kirgisistan stammenden Sopranistin, die neben der Oper auch leidenschaftlich gerne Lieder singt.

Die niederländischen Pianisten Lucas und Arthur Jussen galten als Wunderkinder, dabei wollten sie nur eins: gemeinsam Musik machen. Jeder der beiden Brüder für sich spielt schon brillant, aber zusammen bilden sie eine perfekte Einheit an den Tasten. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie vor Königin Beatrix oder in den eigenen vier Wänden spielen. Sie sind Weltklasse und repräsentieren gleichzeitig die junge, unkomplizierte Musikergeneration.

„First Baroque Boygroup“ oder „Barock-Band“ – mit solchen Attributen werden die jungen Musiker von 4 Times Baroque gerne versehen. Und tatsächlich hat die sogenannte „Alte Musik“ bei ihnen richtig „Drive“, klingt frisch, frech und lebendig. Dafür gab es neben vielen anderen Auszeichnungen 2018 auch einen OPUS KLASSIK. In ihrem Video für „Stars von morgen@home“ treten sie wegen der aktuellen Lage in kleinerer Besetzung auf, dafür mit der Sopranistin Sibylla Elsing.

Die Pianistin Claire Huangci gewann 2011 als jüngste Teilnehmerin den 2. Preis beim Internationalen ARD Musikwettbewerb, vier Jahre später hatte sie ihren Auftritt bei „Stars von morgen“. Für ihr Video hat sie ein Stück ausgesucht, das sie für die aktuelle Situation besonders passend fand, den letzten Satz von Liszts Klavierbearbeitung der „Pastorale“: „Hirtengesang. Frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm“.

SWEET SPOT Radio mit Eldbjørg Hemsing Eine Zeitreise nach Hause

12.03.2020 von Pauline Link – Sweet SPOT BR Klassik

Die Geigerin Eldbjørg Hemsing hat sich auf eine Reise in die Vergangenheit der norwegischen Musik begeben. Heraus kamen überraschende Zusammenhänge zu ihrer eigenen Familiegeschichte, die Eldbjørg dazu inspirierten, für ihr neues Album selbst zu komponieren.

Musik hat schon immer zu ihrer Familie gehört. Eldbjørg beginnt schon mit vier Jahren Geige und Fidel zu spielen und so hat es sie auch nicht verwundert, dass bei ihnen zuhause Noten an der Wand hängen. Als sie als Rising Star kurz vor dem Durchbruch steht, erzählt ihre Mutter ihr, dass dieses Notenskript eine Leihgabe der National Gallery sei und die Melodien ihres Ur-Ur-Ur-Großvaters zeige. Eine dieser Melodien habe sogar Edvard Grieg in seiner Musik verarbeitet.


Steckbrief

Name: Eldbjørg Hemsing
Geboren: 1990 in einem winzigen Dorf in der Region Oppland in Norwegen
Instrument: Geige und Fidel
Haarfarbe: Hellblond
Verrückteste Eigenart: Liebstes Hobby und Entspannungsquelle sind Finanzen und Zahlen
Lieblingsmusik: Ella Fitzgerald – “Reaching for the moon”


Credits: Photography by Nikolaj Lund
Credits: Photography by Nikolaj Lund

Den Norwegern bedeutet Edvard Grieg genauso viel wie ihre Volksmusik. In der Region bei Bergen aufgewachsen, hat er die Melodien und Klänge in den Stuben und Dorfplätzen aufgesogen und sie in seiner Musik verarbeitet. Es steckt also ein Stück Norwegen in der Grieg‘schen Musik und die Norweger haben auch sehr konkrete Vorstellungen, wie ein Konzert mit Grieg zu klingen hat. Dieses Ideal zu erreichen hat sich Eldbjørg zur Aufgabe gemacht und ein Album eingespielt.

“Ich möchte mit dem Album zeigen, das viele bekannte Stücke, wie zum Beispiel von Grieg, einen traditionellen Hintergrund haben.”

Eldbjørg Hemsing über ihr neues Album ‘Grieg – The Violin Sonatas’

Für Eldbjørg sind die drei Violinsonaten von Grieg eine perfekte Umschreibung seines Lebens. Also wurde es ihr zur Passion und zum Herzensprojekt, diese drei Sonaten einzuspielen. Dafür hat sie sich näher mit Grieg auseinandergesetzt und festgestellt, welche Verbindung der berühmte Komponist nicht nur mit der norwegischen Musik selbst, sondern auch mit ihrer Familie hatte. Erst durch ihr Album wurde ihr die Bedeutung der Noten an der Wand ihres Elternhauses bewusst.

Wie Eldbjørg zur Komponistin wurde

Fast niemand weiß, dass diese Melodie aus dem Stück nicht von Grieg, sondern von einem ihrer Vorfahren stammt. Diese Tatsache hat Hemsing dazu bewegt, ihr erstes eigenes Werk zu komponieren: “Homecoming”. Mit diesem Stück will sie ihren Ur-Ur-Ur-Großvater ehren. Sie hat seine Melodie weitergesponnen und verändert sowie die norwegische Melancholie hineinfließen lassen. Und es sollte ein kurzes Stück sein, um es überall spielen und die Entstehungsgeschichte erzählen zu können.

Die Arbeit an diesem neuen Album weckte in Eldbjørg Hemsing wohl das Heimweh. Nach fast zehn Jahren im Ausland ist die Geigerin im vergangenen Herbst wieder zurück nach Norwegen gezogen, genauer: nach Oslo. Sie habe einfach die Sprache und die Menschen dort vermisst, erzählt sie im Gespräch mit SWEET SPOT – und das Skifahren. Schon als Kind ging es mit den Skiern zur Schule. In Berlin, ihrer letzten Heimat, war Eldbjørg ab und zu mit ihrer Freundin auf Rollski unterwegs, bereut aber nicht, zweieinhalb Jahre in der deutschen Bundeshauptstadt gelebt zu haben. Sie liebe die Stadt und die Kultur, sagt Eldbjørg.

“Besonders diese versteckten Orte, bei denen man denkt: Wie könnte hier ein Konzert stattfinden? Und dann kommen plötzlich Musiker und der Abend wird unglaublich magisch.”

Eldbjørg Hemsing über Berlin

Anscheinend war es für sie Zeit, nach Hause zu kommen. Die Noten an der Wand ihres Elternhauses haben sie auf eine ganz eigene Reise in die Geschichte der norwegischen Kultur und ihrer Familie geleitet – und schließlich auch zu ihrem ganz eigenen Homecoming.

Eldbjørg Hemsing in SWEET SPOT

Am 16. März ist Eldbjørg Hemsing im Radio bei SWEET SPOT von 21.05 bis 23.00 Uhr zu Gast. Leider nicht persönlich, aber live zugeschaltet aus Norwegen. Wegen der Corona-Krise hängt die Geigerin aktuell in ihrem Heimatland fest.

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Unsere Sendungen als Podcast

Eldbjørg Hemsing spielt Griegs Violinsonaten

Julia Kaiserrbb Kultur, Montag 16. 3. 2020

Julia Kaiser stellt unsere “CD der Woche” vor  

Edvard Griegs drei Violinsonaten gehören zum Repertoire jedes norwegischen Geigers. Eldbjörg Hemsing, 30 Jahre alt, ist mit ihnen aufgewachsen und hat sich auch besonders mit den Volksmusik-Motiven beschäftigt, die in Griegs Musik anklingen. Jetzt hat sie die drei Sonaten aufgenommen – und einen kleinen Schatz dazu.

Julia Kaiser hat Eldbjörg Hemsing getroffen und stellt unsere “CD der Woche” vor.

Edvard Grieg: Sonaten für Violine & Klavier Nr. 1-3
Eldbjørg Hemsing, Violine
Simon Trpčeski, Klavier

Label: BIS, 2020

Review Vårt Land: I sansingenes rike (NO)

Fiolinisten Eldbjørg Hemsing er for anledningen kledd i en slags huldrehabitt, sikkert ikke bevisst. Men det er jo nettopp denne mytiske fornemmelsen du får av tonene i hennes nye innspilling av Griegs sonater.

Av Olav Egil Aune – Vårt Land

Vi liker å ha Grieg på vår måte, her oppe i røysa. Fiolinisten Eldbjørg Hemsing gjør det på sin.

Jeg har hørt mange kantete og spretne gråsteinstolkninger av Griegs musikk, hvor poesi og dypere følelser forsvinner ut baktrappa. Grieg dro til fjells, kanskje er det derfor vi tror på det «harde», når vi gjør det. Stein er vakkert, men vakrere er det når en organisme vokser ut av jorda og inn i toner, der de er tilgjengelige – slik skjer det når Eldbjørg Hemsing og hennes makedoniske makker, verdenspianisten Simon Trpceski, leter etter hjertet i Griegs tre fiolinsonater. Det er mildt, det gløder, høy temperatur og stor nysgjerrighet, det springer, det er luftig, det er et spill som ikke bare knytter seg til den norske naturen, men til livene våre i den.

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Feature: Gramophone Magazine – The Listening Room

GRAMOPHONE MAGAZINE – The Listening Room: Episode 92 (03.03.20)

James Jolly’s latest playlist includes a quartet of concertos – Grieg from Eldbjørg Hemsing and Simon Trpceski, Chopin from Benjamin Grosvenor, Mozart from Charles Richard-Hamelin, Tjeknavorian Snr from Tjeknavorian Jnr, and Adès from Kirill Gerstein plus Lili Boulanger songs with Cyrille Dubois, and Walton sung by Carolyn Sampson – plus pre-release tracks by Matthias Goerne and Jan Lisiecki, Seong-Jin Cho, and the Czech Philharmonic

A bumper concerto playlist this week, with the piano dominating. Thomas Adès’s Piano Concerto is played by Kirill Gerstein and with the composer conducting the Boston Symphony this is a major addition to the repertoire – a bold, dramatic and showy concerto that sounds somehow both Romantic and wonderfully modern.


A more traditional piano concerto comes courtesy of Mozart – his delicious E flat work, K482, with its wonderful finale. Charles Richard-Hamelin is the stylish soloist and Jonathan Cohen draws some flavoursome playing from Les Violons du Roi.


A new violin concerto comes from Loris Tjeknavorian, a prolific conductor when I was first becoming interested in recordings, and clearly also a composer with a distinctive voice, here infused with the atmosphere of Iran where he now lives. And to play it, his highly accomplished son, Emmanuel, who has a slew of awards to his name.


Our current Recording of the Month is Benjamin Grosvenor’s outstanding album of the two Chopin piano concertos with Elim Chan conducting the Royal Scottish National Orchestra. As Harriet Smith wrote ‘On every hearing new details seem to emerge – the most delicate trilling here, a wonderful snippet of clarinet theme there – but always with a sense of storytelling, Chopin’s ever-shifting moods lustrously caught.’ It’s a wonderful recording and offers up new perceptions on every listening.
I’ve pounced on a new recording of songs by Nadia and Lili Boulanger from a French tenor whose voice I adore, Cyrille Dubois. Do explore the remainder of the album; it’s terrific. And from another favourite singer, the soprano Carolyn Sampson, I’ve a trio of Walton songs drawn from Façade, Joseph Middleton the attentive partner at the piano.


Eric Lu, winner of the last Leeds Piano Competition, has just released his first debut solo album – I’ve included Schumann strange Ghost Variations, the programme’s culmination, for this week’s playlist.


Another impressive release comes from BIS – the three Grieg violin sonatas with Eldbjørg Hemsing and Simon Trpčeski forming a really impressive musical partnership.

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DEBUT CD REVIEW IN DEUTSCHLANDFUNK

Norwegian Discovery – Hemsing plays Borgström

Norwegian violinist Eldbjørg Hemsing shows courage. On her debut recording she performs a violin concerto of Hjalmar Borgström, which is almost not known, and one of Shostakovich, on which famous colleagues have overstretched themselves. But Eldbjørg Hemsing already in her first attempt succeeds with grandiosity.

Christoph Vratz | Deutschlandfunk | 3. Juni 2018

Eine Sinfonie von Joachim Kaiser? Eine Klaviersonate von Karl Schumann oder Ulrich Schreiber? Eine Kantate von Eleonore Büning oder Manuel Brug? Was uns heutzutage in der Literatur noch vergleichsweise häufig begegnet, dass Kritiker selbst zu Autoren werden, bildet in der Musik die Ausnahme. Dafür muss man schon zu Robert Schumann, Hector Berlioz oder Claude Debussy zurückgehen. Doch auch für sie gilt: Sie wurden und werden vor allem als Komponisten wahrgenommen, und erst in zweiter oder dritter Linie als Musikkritiker. Bei Hjalmar Borgström hingegen ist das anders. Von 1907 bis zu seinem Tod 1925 schrieb er in seiner norwegischen Heimat Musikkritiken und wurde damit zu einer nationalen Instanz. Das Komponieren geriet für ihn mehr und mehr zum “Nebenbei”. Umso erstaunlicher, dass er nebenbei 1914 ein Violinkonzert schreibt.

Allegro con spirito, so hat Borgström das Finale zu seinem Violinkonzert überschrieben. Die Geige eröffnet furios. Dann klinkt sich das Orchester ein und bereitet den Boden für die weitere Gestaltung des Eingangsthemas: Es dominiert pure Spiellust, halb ungarisch “alla zingarese”, halb im Sinne der norwegischen Fiddle-Tradition.

Komponist mit eigenem Kopf und ohne nationale Scheuklappen

Erinnert dieser Beginn des Finalsatzes nicht ein wenig an das Violinkonzert von Johannes Brahms? Die Intervalle bei der Sologeige, die ungezügelte Spielfreude? Originär norwegisch klingt das jedenfalls nicht. Dafür gibt es biographische Gründe. Denn Borgström hat vorwiegend in Deutschland, ab 1887 in Leipzig und ab 1890 in Berlin studiert, wo er in Ferruccio Busoni einen prominenten Fürsprecher fand. Borgström selbst war fasziniert von der Macht der Programmmusik im Sinne eines Franz Liszt und auch von der Klangsprache Richard Wagners. Wieder zurück in Norwegen war Borgströms Musik nur wenig Erfolg beschieden. Das lag sicher auch daran, dass sie eben kein spezifisch norwegisches Idiom aufweist wie bei Edvard Grieg. Auch Grieg hatte in Deutschland studiert, wollte aber in Norwegen eine nationale Tonsprache etablieren. Genau das wollte Borgström nicht. Er wählte einen eigenen Weg. Sein Œuvre ist insgesamt, mit je zwei Opern und Sinfonien, wenigen Konzerten und Solowerken, eher schmal.

Erst ein Mal, nämlich im Jahr 2008, ist Borgströms Violinkonzert auf CD dokumentiert worden, mit Jonas Båtstrand, dem Sinfonieorchester der Norrlandsoperan und Terje Boye Hansen am Pult. Jetzt liegt das Werk in einer Neueinspielung vor. Sie übertrifft die ältere Version deutlich. Dabei handelt es sich um die Debüt-CD der norwegischen Geigerin Eldbjørg Hemsing. Schon als Fünfjährige hat sie mit ihrer Schwester vor der Königsfamilie ihres Heimatlandes konzertiert. Mit elf Jahren trat sie erstmals mit den Philharmonikern aus Bergen auf. Mit 22 erfolgte ihr internationaler Durchbruch, als sie sich bei der Friedensnobelpreisverleihung in Oslo präsentierte. Studiert hat Hemsing unter anderem in Wien. Die Noten zu Borgströms Konzert bekam sie bereits vor einigen Jahren geschenkt, doch blieben sie zunächst unbeachtet in einer Ecke liegen. Als die Geigerin dann doch einen genaueren Blick wagte, war sie schnell entflammt. “Was für eine fantastisch schöne, romantische Musik, und dabei auch noch gut spielbar”, so wird Hemsing in der Wochenzeitung “Die Zeit” zitiert. Die Wiener Symphoniker unter Olari Elts eröffnen dieses Violinkonzert, und nach nur wenigen Takten tritt bereits die Sologeige hinzu, anders als in den gewichtigen Traditions-Konzerten von Beethoven und Brahms. Auch wenn der Einsatz der Pauke am Beginn doch ein bisschen an das Beethoven-Konzert erinnert.

Die Tempi der Sätze zwei und drei sind in beiden vorliegenden Einspielungen nahezu gleich. Nur im ersten Satz sind Eldbjørg Hemsing und das Wiener Orchester etwas langsamer unterwegs, dafür mit ungleich klarerem Gestus. Die Übergänge gelingen fließend und natürlich, die Steigerungen organisch. Hemsings Ton leuchtet hell, aber nicht grell oder vordergründig brillant. Sie spielt durchaus mit Schmelz, aber frei von Kitsch. Wenn im Mittelteil des ersten Satzes die Musik immer dramatischere Züge annimmt, wenn Sologeige und Orchester sich mehr und mehr in einen Disput steigern, behauptet sich Hemsing geradezu kühn – mit Kraft und gleichzeitig mit einem flammenden Ton.

Top-Geigerin mit großer Klangfarbenpalette

Eldbjørg Hemsing spielt auf einer Guadagnini-Geige aus dem Jahr 1754, die ihr eine Stiftung zur Verfügung gestellt hat. Das Instrument ist, selten genug, fast noch im Originalzustand. Man muss sich nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen, um zu behaupten, dass man von Hemsing künftig noch einiges hören wird. Denn wie sie im langsamen Satz mit warmen, fast bronzenen Klangfarben arbeitet, um zwischenzeitlich mit größter Selbstverständlichkeit den Ton ins Silbrige zu verlagern, das zeugt von großer Klasse und verspricht einiges für ihre Zukunft.

Was diese Einspielung so besonders macht, ist die Selbstverständlichkeit, mit der Eldbjørg Hemsing die leisen und sehr leisen Passagen meistert. Dann lässt sie ihre Geige wundervoll singen: geheimnisvoll und poetisch, arios und tänzerisch. unterstützt durch die zarten Zupfer der Streicher und kurze Intermezzi der Klarinette.

Vieles an dieser neuen Einspielung ist ungewöhnlich, vor allem das Programm. Denn eine direkte Verbindungslinie zwischen Hjalmar Borgström und Dmitri Schostakowitsch gibt es nicht. Als der Norweger 1925 mit 61 Jahren starb, war sein russischer Kollege erst noch auf dem Sprung zu einer großen Karriere. Schostakowitschs erstes Violinkonzert entstand 1948, zu einer Zeit, als die stalinistische Partei sein Schaffen mit Argus-Augen überwachte. Was nicht mit ihren Richtlinien konform ging, wurde abgelehnt, und der Komponist hatte Repressalien zu fürchten. Daher erfolgte die Premiere dieses Konzertes erst im Jahr 1955 mit David Oistrach als Solist.

Auch in diesem Konzert bilden Geigerin Eldbjørg Hemsing, die Wiener Symphoniker und Olari Elts eine Einheit. Das zeigt besonders der schroffe Gegensatz zwischen dem dunklen, einleitenden Notturno und dem bizarren Scherzo. Wie hier die säuselnden Bläser, Bassklarinette und Flöte, mit den schroffen Akzenten der Solovioline kontrastieren, das verrät Schärfe, Bitternis und, bezeichnend für Schostakowitsch, beißenden Humor. Das gilt in gleichem Maße für die sich unmittelbar anschließende Passage, wenn die Geige das Kommando übernimmt und die Streicher hinzutreten.

Verträumt bis bärbeißig – Schostakowitschs erstes Violinkonzert

Eldbjørg Hemsing ist gewiss kein musikalischer Muskelprotz, dem es in erster Linie auf äußere Effekte ankommt. Die Norwegerin erweist sich als sensible Künstlerin, die sich und ihren Ton immer wieder genauer Prüfung unterzieht. Daher findet sie für jede Stimmung einen adäquaten Ausdruck, ob verträumt und nach innen gekehrt oder bärbeißig und virtuos. Ihre technischen und musikalischen Fähigkeiten gehen Hand in Hand. Wenn es, wie im Finalsatz von Schostakowitschs erstem Violinkonzert, schnell zugeht, spiegelt diese Aufnahme den experimentellen Geist des Komponisten. Doch trotz der vielen, teils schnellen rhythmischen und dynamischen Umschwünge: Hemsings Geige klirrt nie, auch geraten die kurzen Linien nicht aus dem Fokus. Die Solistin weiß genau, wo sie hinmöchte und wie sie die Höhepunkte ansteuern muss, um deren ganze Wirkung so spontan und natürlich wie möglich herauszuarbeiten. Das ist eindrucksvoll und rundet den sehr positiven, stellenweise herausragenden Gesamteindruck dieser neuen Produktion ab.

Heute haben wir Ihnen die Debüt-CD der Geigerin Eldbjørg Hemsing vorgestellt. Mit den Wiener Symphonikern und Olari Elts hat sie Violinkonzerte von Hjalmar Borgström und Dmitri Schostakowitsch aufgenommen, erschienen ist sie als SACD beim schwedischen Label BIS.

ELDBJØRG HEMSING IN BR-KLASSIK KLICKKLACK

Portrait of Eldbjørg Hemsing in “KlickKlack” | BR-KLASSIK | 7th May 2018

“KlickKlack”, music magazine for Classical Music, Jazz and good Pop Music, is the only format in which two world stars – cellist Sol Gabetta an percussionist Martin Grubinger – are giving the TV viewers a very close experience on how professional artist work, rehearse and perform. The imagery is modern, the camera extremely subjective.

Eldbjørg Hemsing has been guest of Martin Grubinger in the BR-KLASSIK “KlickKlack” feature from 7th May 2018, beside Michael Sanderling, Chief Conductor of Dresden Philharmonic, Gautier Capuçon, French cellist, and pianist Jens Thomas.

DEBUT CD REVIEW IN RONDO

…with her supreme violinistic ease, sprightly personality and wonderfully clear and pure lyrical tone (2nd movement), the violinist Eldbjørg Hemsing transforms this repertoire rarity into a worthwhile rediscovery or new discovery. Hemsing’s mastery of the entire Shostakovich spectrum, from gloomy bitterness to grotesquely-virtuosic agility, is then demonstrated in her collaboration with the highly committed Wiener Symphoniker.

Rondo | Guido Fischer | 3 Mar 2018:

Der Name Hjalmar Borgström war bis vor kurzem noch dieser typische Fall von „Kenne ich nicht“. Auf dem Cover der Solo-Debüt-CD der aufstrebenden norwegischen Geigerin Eldbjørg Hemsing steht er immerhin über dem von Dmitri Schostakowitsch. Was sofort die Vermutung nährt, dass es sich bei dem No-Name um einen skandinavischen Zeitgenossen des Russen handeln könnte – wenn nicht vielleicht gar um einen wahrscheinlich zu unrecht nie so richtig zum Zug gekommenen Neue Musik-Komponisten. Was die Lebenslinien von Borgström und Schostakowitsch angeht, gab es immerhin Berührungspunkte. Als der Norweger 1925 im Alter von gerade 61 Jahren verstarb, war der russische Kollege mit seinen 19 Jahren schon auf dem Karrieresprung. Ein Mann der zu dieser Zeit bereits mächtig an den Grundfesten rüttelnden Moderne war Borgström aber so gar nicht. Zu diesem Schluss bringt einen sein dreisätziges Violinkonzert G-Dur op. 25, das Hemsing zusammen mit dem 1. Violinkonzert von Schostakowitsch aufgenommen hat.

Das 1914 anlässlich der 100-Jahr-Feier der norwegischen Verfassung entstandene Konzert ist pure Hoch- bis Spätromantik, die ihre Wurzeln nicht etwa in der nordischen Volksmusik hat, sondern in der Tradition Mendelssohns, Schumanns und Brahms‘. Der Grund: Borgström hatte ab 1887 während seines Studiums das Musikleben in Leipzig in vollen Zügen genossen. Dementsprechend begegnet man in seinem Violinkonzert vielen alten Bekannten, zahlreichen Einflüssen und geläufigen Trivialitäten. Doch überraschender Weise kommt dabei keine Sekunde Langeweile auf! Nicht nur, weil sich Borgström hier als fantasievoller Handwerker entpuppt, der die musikalisch scheinbar aus der Zeit gefallenen Ingredienzien äußerst reizvoll recycelt. Auch die Geigerin Eldbjørg Hemsing kann mit ihrer geigerischen Souveränität, ihrem anspringenden Temperament und einem wunderbar klaren und schlackenfreien Kantilenenton (2. Satz) diese Repertoire-Rarität in eine lohnenswerte Wieder- bzw. Neuentdeckung verwandeln. Dass Hemsing aber eben auch das gesamte Schostakowitsch-Spektrum von düsterer Bitternis bis grotesk-virtuoser Gelenkigkeit grandios beherrscht, stellt sie anschließend gemeinsam mit den höchst engagierten Wiener Symphonikern unter Beweis.